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Ein friedlicher Moment auf einem umkämpften Flecken Erde. Ein Jugendlicher springt ins Mittelmeer vor der Skyline Gazas. Schon seit Jahrzehnten hält der Konflikt zwischen Israel und Palästina an.

Foto: AP/Hana

Reibers - Während die palästinensische Delegation des Peacecamps die Geschichte des Nahostkonflikts aus ihrer Sicht präsentiert, bemühen sich die jüdisch-israelischen Teilnehmer, ruhig auf ihren Plätzen zu sitzen. Man sieht Kinder, die vor Ruinen stehen, und es wird dramatische Musik gespielt. Im Anschluss daran ergeht es den arabischen Israelis nicht besser, als die andere Gruppe ihre Sicht der Dinge vorstellt.

Der langjährige Konflikt zwischen Israel und Palästina ist komplex. Das Peacecamp wurde von Psychotherapeutin Evelyn Böhmer-Laufer gegründet. Unter ihrer Leitung kommen palästinensische, israelische, ungarische und österreichische Jugendliche zusammen, um sich in Geschichte- und Theater-Workshops dem schwierigen Thema zu nähern. Heuer fand das jährliche Sommercamp erneut in Reibers im Waldviertel statt.

Die Jugendlichen diskutierten etwa unter der Moderation des ehemaligen israelischen Botschafters Ilan Baruch die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung und der Grenzen, die diese haben sollten. Ihre Gefühle während des schwierigen Prozesses der Lösungsfindung können sie in der täglichen "Large Group" besprechen. "Heute wollen wir über Schmerz sprechen", eröffnet Silvio Gutkowski das Treffen. Er ist Psychiater und Leiter der Gruppentreffen. Er hat auf einem der beiden Stühle im Raum Platz genommen. Die anderen rund 50 Teilnehmer des Peacecamps sitzen auf dem Boden. "Wer etwas zu sagen hat, kommt hierher auf den zweiten Stuhl, und alle werden zuhören."

Die offene Atmosphäre der "Large Group" verleiht den jungen Teilnehmern den Mut zu sprechen. Nach und nach erzählen sie von Ereignissen in ihrem Leben, die sie mit Schmerz erfüllten. Der 15-jährige Amir Haddad aus Haifa spricht von der Enteignung seiner Großeltern. Omer Rosenblit (15) von der jüdisch-israelischen Gruppe versucht die Schrecken des Holocausts, die seine Großeltern erlebten, mit den Anwesenden zu teilen. Beinahe alle haben mittlerweile zu weinen begonnen.

Geteiltes Leid

"Ich fühle mich hilflos", sagt Gutkowski. "Ich weiß nicht, was ich tun soll, doch wir sehen hier, dass Leid geteilt werden kann." Schließlich schafft es die Gruppe gemeinsam durch ein Meditationsmantra, das am Morgen erlernt wurde, das Treffen gestärkt und hoffnungsvoll zu beenden.

An diesem Punkt des Peacecamps haben die Teilnehmer bereits fünf mit heftigen Diskussionen und Konflikten angefüllte Tage hinter sich. Doch ein Gefühl herrscht bei den Jugendlichen vor: "Wir können jetzt diskutieren und geteilter Meinung sein, sind dann aber zum Basketball- oder Theaterspielen Freunde", beschreibt Amir. "Wir respektieren uns." Gutkowski sieht damit den zentralen Gedanken des Projekts verwirklicht: "Wer zuhört, der erhält die Autorität zu sprechen."

Zum ersten Mal kamen heuer Schüler der palästinensischen Delegation vom Orthodox Arab College in Haifa. Bisher stellten meist muslimische Schüler die arabische Delegation. Den europäischen Gruppen wurde durch die Darstellung der christlich-palästinensischen Jugendlichen klar, dass auch die Palästinenser selbst keine homogene Masse sind.

Die arabischen Israelis wiederum waren dankbar für alles, was sie über die Verfolgung der Juden im Europa zur Zeit des Nationalsozialismus erfuhren. "Ich habe jetzt das Gefühl, die jüdischen Israelis besser zu verstehen", erklärt Haddad.

Dieses Verständnis und Vertrauen ist nicht nur von kurzer Dauer, was das Weiterleben des Dialogs aller Peacecamper in sozialen Onlinenetzwerken zeigt. Aktuelle Ereignisse, wie beispielsweise Palästinas Beitritt zur Unesco, werden diskutiert, Lösungen werden gesucht.

Dass diese Lösungssuche nicht vergebens ist, sollte während des Peacecamps ein Ausflug zur nahegelegenen tschechischen Grenzen zeigen: "Es scheint alles so verfahren und unlösbar wie damals am Eisernen Vorhang", sagt Böhmer-Laufer, "doch ich glaube daran, dass der Konflikt zwischen Palästinensern und Juden in Israel enden wird." (Bath-Sahaw Baranow, DER STANDARD, 9.11.2011)